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Bodo Illgner
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Fußball |
Wie Osram zur Lichtgestalt wurde
16 Nov 2017Podcast abonnieren
Thema der Episode
Gewonnene Titel, hohe fachliche Kompetenz, aber mangelnde Kommunikationsfähigkeiten - Jupp Heynckes wurde lange von vielen belächelt, sogar als Auslaufmodell in die Rente verabschiedet. Doch er kam zurück, weil er sich auch im Alter noch immer weiterentwickeln konnte. meinsportpodcast.de über einen Mann, der erst spät die verdiente Wertschätzung erhielt.
Ein halbes Jahr vor Jupp Heynckes Vertragsende 2013 bei den Bayern platzte die Bombe. Der Rekordmeister hatte für die neue Saison Pep Guardiola verpflichtet. Heimlich, still und leise und hinter dem Rücken des noch amtierenden Coaches. Die Reaktion von Jupp Heynckes auf diese zumindest kleine Demütigung beschrieb Uli Hoeneß später so: “Du hast gesagt, diesen Deppen zeige ich es.”
Und wie er es den Deppen gezeigt hat. Triplegewinn. Historisch einmalig in Deutschland. Wieder einmal konnte Heynckes am Ende den Zweiflern und Spöttern eine lange Nase zeigen, sie mit Erfolgen zum Schweigen bringen. Wie in den 80ern Udo Lattek, seinen Vorgänger bei Gladbach und den Bayern. Heynckes sei ein schwacher Trainer, hatte Lattek als Sportdirektor in Köln in Richtung München gegiftet. Oder Köln-Trainer und Heynckes-Intimfeind Christoph Daum. Der legte noch nach: “Der Wetterbericht ist interessanter als eine Unterhaltung mit Heynckes”.
Fachlich konnte man Heynckes wenig am Zeug flicken. Schließlich hatte er Gladbach trotz schwieriger Bedingungen im oberen Drittel der Bundesliga gehalten. Er hatte große Talente entdeckt und gefördert, allen voran Lothar Matthäus. Angreifbar machte er sich durch seine Menschenführung und Kommunikation. Chronisch ehrgeizig, dabei aber extrem dünnhäutig und aufbrausend sei er im täglichen Umgang gewesen. “Er hat sich selber wahnsinnig unter Druck gesetzt und wenn er dann von uns enttäuscht war, konnte er in seiner Kritik grausam verletzend sein”, erinnerte sich Ewald Lienen laut uefa.com.
Nicht immer fand Heynckes die richtigen Worte - weder teamintern, noch in der Medienarbeit. Pressegespräche - in den 80ern noch deutlich seltener als heute - waren ihm ein Graus. Misstrauisch wie er war, witterte er überall Heckenschützen. “Wenn er sich verhaspelte, bekam er einen roten Kopf. Da habe ich ihm irgendwann den Spitznamen 'Osram' verpasst”, erinnerte sich sein ehemaliger Rudi Gores in Die Welt. Im legendären TV-Duell mit Daum im Aktuellen Sportstudio ließ er deshalb auch Uli Hoeneß reden, zahlte Daum die Angriffe fünf Tage später mit einem 3:1-Sieg der Bayern lieber sportlich zurück.
Zwei Meisterschaften gewann Heynckes mit den Bayern. Osram leuchtete. Strahlkraft ging von ihm aber wenig aus. Als er sich verbal dann doch mal aus der Deckung traute, fiel das unangenehm auf ihn zurück. Im Überschwang des Titelgewinns 1990 versprach er den begeisterten Fans auf dem Marienplatz vollmundig den Europacup. Doch das ging in die Hose. Bayern scheiterte unglücklich an Roter Stern Belgrad, verlor die Meisterschaft an Kaiserslautern und rutschte in die Krise. Der Anfang von Heynckes’ Ende in München.
Spanien und eine Krankheit wurden zum Wendepunkt in Heynckes' Entwicklung
Die Entlassung wurde allerdings zum Glücksfall für Heynckes. In Spanien entwickelte sich der Disziplinfanatiker menschlich weiter. Die spanische Lebensart und die breite Anerkennung für seine Erfolge mit dem kleinen Athletic Bilbao hatten ihn gelockert. Bei seinem Intermezzo bei Eintracht Frankfurt verfiel er zwar wieder in alte Muster, als sich die Stars des Teams ihm nicht unterordnen wollten. Zurück in Spanien ging der Lernprozess jedoch weiter. Teneriffa führte er nach oben, bei Real Madrid schweißte er ein Team von Individualisten zum Champions-League-Sieg zusammen. Heynckes musste zwar trotzdem gehen, die Kritiker in der Heimat waren aber vorübergend still.
Und Heynckes feierte noch einen persönlichen Sieg. Aus dem harten Drillmeister war über die Jahre Don Jupp geworden. Ein neuer Trainertyp, sozusagen Heynckes 2.0 - Osrams Renaissance. Ruhig, sachlich und umgänglich - ein Gentleman auf und neben dem Platz - und trotzdem erfolgreich. "Ich gehe heute mehr auf den Menschen ein, das habe ich in Spanien gelernt", beschrieb Heynckes später seine Entwicklung. Das kam an, jedenfalls in Spanien und bei Benfica Lissabon. Bei seinen Comeback-Versuchen in der Bundesliga bei Schalke und Gladbach allerdings nicht. Schalkes Rudi Assauer jagte das “Auslaufmodell” vom Hof, in Gladbach zwangen ihn Morddrohungen zum Rücktritt.
Osram schien ausgebrannt - auch gesundheitlich. "Ich habe eine zweijährige Krankheitsphase mit mehreren Operationen durchgemacht”, erinnerte sich Heynckes laut uefa.com. “Da habe ich das alles reflektiert, und mir wurde klar, dass viele Dinge im Leben gar nicht so wichtig sind." Diese Erkenntnis nahm er mit in den Fünf-Spieltags-Aushilfsjob bei Bayern, die zwei Jahre bei Bayer Leverkusen und in die Triple-Amtszeit in München. Die Kritiker von einst verstummt, neue Spötter nicht in Sicht. Aus Osram wurde eine Lichtgestalt.
Heynckes war immer noch ehrgeizig, fachlich gewohnt top, aber zur Erkenntnis gekommen, auch mal Fünfe grade sein zu lassen und nicht alles selbst machen zu müssen, dem Rat seines Trainerteams zu vertrauen. Auch das wache Auge für Talente wie Javi Martinez ließ Heynckes nicht im Stich. Dazu ist er aber noch gelassener in der Arbeit mit den Mannschaften geworden. Kein Kumpeltyp, aber er pflegt ein lockeres und entspanntes Verhältnis zu jungen und alten, etablierten und unerfahrenen Spielern - und sogar zu den Medien.
Der misstrauische Blick von einst ist einem wohlwollenden Lächeln gewichen. Hier ein Witz, da eine spaßige Replik. Dünnhäutig, schwierig und einsilbig war gestern. Bei seiner Antrittspressekonferenz 2017 hielt er sogar einen 15-minütigen Monolog. Sein Erfolg ist schon nach wenigen Wochen messbar. Im DFB Pokal ging es gegen Leipzig eine Runde weiter, in der Bundesliga wurde dem BVB die Tabellenführung wieder abgenommen und auch in der Champions League ist das Ticket für die Ko-Runde bereits gebucht.
Die Quoten bei den auf www.wettbonus.de aufgelisteten Buchmachern, die Wetten auf Titelgewinne der Bayern in den drei Wettbewerben in der Saison 2017/18 annehmen, stehen auch für Heynckes 4.0 nicht schlecht. Und mit jedem Erfolg würde die Lichtgestalt Heynckes noch ein kleines bisschen heller leuchten.
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